Montag, 9. Januar 2012

DIE HAUSMEISTERIN


Jahrein, jahraus lehnt in einem kleinen Dorf in einer scharfen Kurve ein Mann am Fenster und beobachtet  die vorbeifahrenden Autos, die sich um die Biegung quälen.
Er erinnert mich an die Hausmeisterin meiner frühen Kindheit.
Aus einer Vorfernsehzeit.
Als die alten Leute stundenlang auf Polster gestützt im Fenster lagen und die Straße scharf im Auge behielten.
Unsere Hausmeisterin war ein Drachen. Nicht nur von mir als Kind gefürchtet. Ich pfeilte immer an ihr vorbei, denn sie wusste sicher etwas zu bemängeln. Ihr Standplatz war ein Stockerl im geschützten Außenbereich des Haustors, den sie nur für wenige Stunden am Tag verließ. Niemand konnte unbemerkt das Haus betreten. Die scharf gestellte Frage: "Zu wem woensn (wollen Sie)?", ließ jeden artig antworten. Die gute Frau residierte auf Kuchl, Kabinett in einer Kellerwohnung, nur zu Weihnachten durfte ich diese betreten und dann zeigte sie mir stolz die erhaltenen Glückwunschkarten, sowie die selbst hergestellten Kekse. Ob ich in den Genuss des Süßigkeitenprobierens gekommen bin, entzieht sich meiner Erinnerung. Sicher in den Genuss von Schleckereien, Schnäpsen und selbstgemachtem Eierlikör sind die Polizisten vom Revier gekommen, die immer auf längere Zeit, als Unterbrechung ihrer Streifgänge, im Keller verschwanden. Ob es nur kulinarische Genüsse waren oder andere fleischliche auch, die da geteilt und ausgeteilt wurden, entzieht sich meiner Kenntnisnahme, zumal besagte Dame nach einer Kinderlähmung etwas körperbehindert, aber nach ihren eigenen Aussagen, in früheren Jahren kein Kind von Traurigkeit gewesen war -  und warum sollte sich das mit den Jahren ändern.
Zu allem Übermaß hieß sie Fromm, was sie ja sicher nicht war, in keiner Weise. Sie herrschte vom Keller aus über das dreistöckige Zehnparteienmietshaus - was eigentlich vierstöckig war, denn es gab ein Hochparterre - und Hausmeisterin war ein würdiger Titel, denn Hausbesorgerin hätte man nie zu ihr sagen können.

10 Kommentare:

  1. Ein starkes Stück, deine Hausmeisterinnengeschichte!
    Es ist schon interessant, wie einen solche Kindheitstraumata, auch wenn das vielleicht etwas hoch (oder tief) gegriffen ist, ein Leben lang präsent bleiben.
    So einen Drachen hat fast jedes von uns auf die eine oder andere Art erlebt - und auch, wenn sie schon gestorben sind, so leben sie noch heute!

    Hab einen guten, unbedenklichen Wochenbeginn!
    Liebe Grüsse ins Waldviertel,
    Brigitte

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  2. Whou!! das Foto ist ein starkes Stück!!!
    Habe beim Lesen richtig gesehen wie dein Kindheitshausdrachen aus den Nasenlöchern dampfte und pfufte!
    Wünsche dir einen schönen Vollmondtag... und einen beschwingten Start in die 2. Woche des Jahres...
    ♥-lich Brigitte

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  3. Ich musste bei deiner Geschichte soviel lachen - neben uns wohnte in meiner Kindheit auch so eine Hausmeisterin! Zwar nicht ganz so herrscherisch - aber doch erkenne ich einige Gemeinsamkeiten!

    Meine Mama ist übrigens auch Hausmeisterin... *ggg*

    Liebe Montagsgrüße nima

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  4. Bitte den Montagsfehlerteufel zum Teufel schicken!
    Brigitte

    "einen verfolgen" wie ich zuerst schreiben wollte oder "einem präsent bleiben", wie es heissen müsste...

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  5. brigitte:
    ja, manche personen bleiben ewig in der erinnerung.
    deinen fehlerteufel kann ich nicht korrigieren - ich kann beiträge nur löschen.
    liebgrüßt in deinen montag

    smilla:
    mein montag fängt mit schneeschaufeln an, langsam könnte es mit dem schneien aufhören.
    alles liebe für die woche

    nima:
    die häuser, die heute noch hausmeister haben, sind oft besser dran. und in den großen wohnblocks ist das auch eine menge arbeit.
    lg aus dem schnee

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  6. Hausmeister waren damals der beste Schutz gegen Einbrecher, eine Sicherheitstür kann da nicht mithalten.
    Lieben Gruß

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  7. heide:
    ein einbrecher hätte keine chance gehabt!
    lg in die stadt

    wienermädel:
    ja. vielleicht fällt mir noch eine ein.
    lg aus dem schnee

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  8. Unzufrieden wirkt er nicht, der Fensterphilosoph.
    Deine Schilderung dieser Ö-Concierge gefällt mir...
    Gruß von Sonja

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  9. sonja:
    der fensterphilosoph schaut nach einem alkoholliebhaber aus.
    lg zu dir

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