Das Sklavenschiff
Heinrich Heine (1797-1856)
I
Der Superkargo Mynheer van KoekSitzt rechnend in seiner Kajüte; Er kalkuliert der Ladung Betrag Und die probabeln Profite. »Der Gummi ist gut, der Pfeffer ist gut, Dreihundert Säcke und Fässer; Ich habe Goldstaub und Elfenbein - Die schwarze Ware ist besser. Sechshundert Neger tauschte ich ein Spottwohlfeil am Senegalflusse. Das Fleisch ist hart, die Sehnen sind stramm, Wie Eisen vom besten Gusse. Ich hab zum Tausche Branntewein, Glasperlen und Stahlzeug gegeben; Gewinne daran achthundert Prozent, Bleibt mir die Hälfte am Leben. Bleiben mir Neger dreihundert nur Im Hafen von Rio-Janeiro, Zahlt dort mir hundert Dukaten per Stück Das Haus Gonzales Perreiro.« Da plötzlich wird Mynheer van Koek Aus seinen Gedanken gerissen; Der Schiffschirurgius tritt herein, Der Doktor van der Smissen. Das ist eine klapperdürre Figur, Die Nase voll roter Warzen - »Nun, Wasserfeldscherer«, ruft van Koek, »Wie geht's meinen lieben Schwarzen?« Der Doktor dankt der Nachfrage und spricht: »Ich bin zu melden gekommen, Daß heute nacht die Sterblichkeit Bedeutend zugenommen. Im Durchschnitt starben täglich zwei, Doch heute starben sieben, Vier Männer, drei Frauen - Ich hab den Verlust Sogleich in die Kladde geschrieben. Ich inspizierte die Leichen genau; Denn diese Schelme stellen Sich manchmal tot, damit man sie Hinabwirft in die Wellen. Ich nahm den Toten die Eisen ab; Und wie ich gewöhnlich tue, Ich ließ die Leichen werfen ins Meer Des Morgens in der Fruhe. Es schossen alsbald hervor aus der Flut Haifische, ganze Heere, Sie lieben so sehr das Negerfleisch; Das sind meine Pensionäre. Sie folgten unseres Schiffes Spur, Seit wir verlassen die Küste; Die Bestien wittern den Leichengeruch Mit schnupperndem Fraßgelüste. Es ist possierlich anzusehn, Wie sie nach den Toten schnappen! Die faßt den Kopf, die faßt das Bein, Die andern schlucken die Lappen. Ist alles verschlungen, dann tummeln sie sich Vergnügt um des Schiffes Planken Und glotzen mich an, als wollten sie Sich für das Frühstück bedanken.« Doch seufzend fällt ihm in die Red' Van Koek: »Wie kann ich lindern Das Übel? wie kann ich die Progression Der Sterblichkeit verhindern?« Der Doktor erwidert: »Durch eigne Schuld Sind viele Schwarze gestorben; Ihr schlechter Odem hat die Luft Im Schiffsraum so sehr verdorben. Auch starben viele durch Melancholie, Dieweil sie sich tödlich langweilen; Durch etwas Luft, Musik und Tanz Läßt sich die Krankheit heilen.« Da ruft van Koek: »Ein guter Rat! Mein teurer Wasserfeldscherer Ist klug wie Aristoteles, Des Alexanders Lehrer. Der Präsident der Sozietät Der Tulpenveredlung im Delfte Ist sehr gescheit, doch hat er nicht Von Eurem Verstande die Hälfte. Musik! Musik! Die Schwarzen soll'n Hier auf dem Verdecke tanzen. Und wer sich beim Hopsen nicht amüsiert, Den soll die Peitsche kuranzen.«
II
Hoch aus dem blauen HimmelszeltViel tausend Sterne schauen, Sehnsüchtig glänzend, groß und klug, Wie Augen von schönen Frauen. Sie blicken hinunter in das Meer, Das weithin überzogen Mit phosphorstrahlendem Purpurduft; Wollüstig girren die Wogen. Kein Segel flattert am Sklavenschiff, Es liegt wie abgetakelt; Doch schimmern Laternen auf dem Verdeck, Wo Tanzmusik spektakelt. Die Fiedel streicht der Steuermann, Der Koch, der spielt die Flöte, Ein Schiffsjung' schlägt die Trommel dazu, Der Doktor bläst die Trompete. Wohl hundert Neger, Männer und Fraun, Sie jauchzen und hopsen und kreisen Wie toll herum; bei jedem Sprung Taktmäßig klirren die Eisen. Sie stampfen den Boden mit tobender Lust, Und manche schwarze Schöne Umschlinge wollüstig den nackten Genoß - Dazwischen ächzende Töne. Der Büttel ist Maître des plaisirs, Und hat mit Peitschenhieben Die lässigen Tänzer stimuliert, Zum Frohsinn angetrieben. Und Dideldumdei und Schnedderedeng! Der Lärm lockt aus den Tiefen Die Ungetüme der Wasserwelt, Die dort blödsinnig schliefen. Schlaftrunken kommen geschwommen heran Haifische, viele hundert; Sie glotzen nach dem Schiff hinauf, Sie sind verdutzt, verwundert. Sie merken, daß die Frühstückstund' Noch nicht gekommen, und gähnen, Aufsperrend den Rachen; die Kiefer sind Bepflanzt mit Sägezähnen. Und Dideldumdei und Schnedderedeng - Es nehmen kein Ende die Tänze. Die Haifische beißen vor Ungeduld Sich selber in die Schwänze. Ich glaube, sie lieben nicht die Musik, Wie viele von ihrem Gelichter. »Trau keiner Bestie, die nicht liebt Musik!« sagt Albions großer Dichter. Und Schnedderedeng und Dideldumdei - Die Tänze nehmen kein Ende. Am Fockmast steht Mynheer van Koek Und faltet betend die Hände: »Um Christi willen verschone, o Herr, Das Leben der schwarzen Sünder! Erzürnten sie dich, so weißt du ja, Sie sind so dumm wie die Rinder. Verschone ihr Leben um Christi will'n, Der für uns alle gestorben! Denn bleiben mir nicht dreihundert Stück, So ist mein Geschäft verdorben.« |
Dieses Gedicht kannte ich auch nicht. Furchtbar, wie es uns den täglichen Wahnsinn vor Augen hält, die Menschen einander aus Gier, Macht und Bosheit anzutun imstande sind.
AntwortenLöschenJa, die Hölle ist menschengemacht und findet täglich statt.
Danke für dieses andere Wort zum Sonntag!
Lieben Gruss,
Brigitte
wenn man es singen würde, könnte man es moritat nennen. ich mag solche schaurigen verse.
Löschenalles liebe zu dir
... und wie wenig hat sich doch in den Köpfen vieler geändert... - Trotzdem, Heines Formulierung "Schnedderedeng und Dideldumdei" hat es mir angetan!
AntwortenLöschenLiebe Grüße aufs Land von Heike aus der Stadt!
nix geändert in köpfen und taten.
Löschenalles liebe in deinen sonntag
da passt reinhard meys narrenschiff,die heutige ausgabe dazu.
AntwortenLöschenrefrain:
der steuermann lügt,der kapitän ist betrunken
und der maschinist in dumpfe lethargie versunken.
die mannschaft,lauter meineidige halunken
der funker zu feig um SOS zu funken.
klabautermann führt das narrenschiff.
volle fahrt voraus und kurs aufs riff.
so werden wir und wurden gesteuert.
heine beschreibt das großartig,wie der wahnsinn am wasser war
und so ist es heute genauso an land.
sonntagsgrüße mit 3 kerzen am adventkranz
hibisca
der inhalt aktueller denn je.
AntwortenLöschenreinhard mey : narrenschiff
refrain:
der steuermann lügt,der kapitän ist betrunken
und der maschinist in dumpfer lethargie versunken.
die mannschaft,lauter meineidige halunken,
der funker zu feig um SOS zu funken
klabautermann führt das narrenschiff,
volle fahrt voraus und kurs aufs riff.
es gab schon immer künstler und bewusste menschen,
die den wahnsinn aufzeigten ....
es fällt auf keinen fruchtbaren boden
kopfschüttelgrüße
hibisca
heute hab ich schon 2mal geschrieben...und schon wieder verschwunden!
AntwortenLöschenwas ist da los?
lg
hibisca
???? keine ahnung.
Löschenliebe grüße in den abend
schau, alles da. war im spamordner. ??????
Löschenlustig......
AntwortenLöschendas weihnachtsengerl hats wieder hergezaubert.
schönen abend
hibisca