Freitag, 18. Oktober 2024

VERGANGENES


Ein paar Erinnerungen aus meiner Kindheit fallen mir ein,
die ich erzählen möchte.
Dinge, die es nimmer gibt.
Ich bin ja richtig alt.
Das Verlockendste am Schuhe kaufen war das
Ein Röntgengerät, das die Füße durchleuchtete, und man konnte sehen,
ob Schuhe passen oder nicht.
Faszinierend. Ich konnte davon kaum genug kriegen.
Wurde aber bald eingebremst, weil die Gefährlichkeit damals bereits gekannt war.
Bis heute habe ich alle Zehen. Sie sind nicht abgefallen.
Wir lebten in einer Altbauwohnung im 3. Stock einer stillen Gasse
in der Nähe des Zentrums von Wien.
Am Morgen konnte ich das Klappern der Hufe der Brauerei- und Molkereipferde
am Kopfsteinpflaster hören.
Alles still, ab und an das Geräusch eines weiter entfernten Autos
und das Klipp-Klapp der schweren mächtigen Kaltblutpferde.
Am blechbeschlagenen Fenstersims das Kratzen der Taubenkrallen
und ihr Gurren dazu.
Diese Tiere habe ich gehasst.
Öfter haben sie mich aus dem Schlaf gelärmt.
Ganz selten kamen Hausierer in den Innenhof.
Denen konnte man aus dem 3.Stock ein wenig Kleingeld in Papier
gewickelt zuwerfen.
Einer zeigte uns den ersten Plastikkamm.
Behende bog er ihn unzerbrechlich hin und her.
Staunend meinte meine Mutter,
dass sowas unmöglich sei.
Damals war Plastik noch Betrug und wir hatten nur wenig haltbare
zahnlückige Celluloidkämme.
Zu Allerheiligen gingen wir auf den Zentralfriedhof.
Es war arschkalt und das Wasser in den Pfützen war gefroren.
Es gab Winter mit so viel Schnee,
dass Autos auf der Straße ausgeschaufelt werden mussten.
In die Buchten stellte man ein Taferl mit seiner Autonummer
und mit Glück war beim Heimkommen der Platz noch frei.
Wien hatte in Hütteldorf eine kleine Sprungschanze.
In der Stadt waren Natureislaufplätze.
Die Straßenbahn hatte Schaffner und alte Garnituren waren offen -
man konnte auf- und abspringen.
Im Freien auf der Plattform stehen und den Fahrtwind um die Ohren streichen
lassen.
Schwarzfahren war auch reizvoll.
Richtig nostalgisch bin ich geworden,
aber jetzt ist es genug mit den alten Geschichten.




11 Kommentare:

  1. Klingt wie aus fernen Zeiten, ich kenne aus Nürnberg auch noch Sachen, die es nimmer gibt, vor allem die alten Automarken wie NSU Prinz 4, das erste Auto meines Vaters oder das 3 Glocken-Nudel-Auto (Werbung für Teigwaren)... warst du Einzelkind? Was war als Kind deine Lieblingsbeschäftigung?
    Nostalgische Grüsse von Ursula

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    1. ich war lange ein einzelkind. auto: wir hatten einen topolino. und dann einen puch 500 mit fetzendach.
      lieblingsbeschäftigun? weiß nicht. lesen. natur. ich habe jetzt auch keine lieblingsbeschäftigung.
      liebe grüße zu dir

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  2. Musste jetzt lachen, wenn du die Schneeschaufler erwähnst... Ich habe einmal alte Zeitungsausschnitte verbloggt (https://fliederbaum.blogspot.com/2013/02/wei-und-orange.html), kann mich selbst aber nicht bewusst daran erinnern. Obwohl die Winter in meiner Kindheit und Jugend wirklich noch Winter waren. ;-))
    Ich verfolge gern deine Erinnerungen!
    lg

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    1. 😃ich hab mir die zeitungsausschnitte angesehen. 🤪danke dafür. die schneewände waren riesenhoch. damals konnte wien noch winter.
      liebe grûße

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  3. Dass ich meine Zehen bzw. nur die Knochen davon durch die Schuhe sehen konnte, daran kann ich mich auch noch erinnern. Lieben Gruß von Clara

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  4. So viele spannende Erinnerungen an früher, die du mit uns teilst. Früher war Leben irgendwie anders. Es klingt als ob es schon mehr als 100 Jahre her wäre. Wenn jemand Junger das heute liest, dann kennt er das überhaupt nicht mehr.
    Wie wird die Stadt in 50 Jahren aussehen? Auch nicht vorstellbar für uns, hier und heute.
    Tage der offenen Ateliers sind dieses Wochenende.
    Herbstgrüße
    hibisca

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    1. die veränderungen geschehen schleichend. nach einigen jahrzehnten ist es eine andere welt.
      liebe grüße zu dir

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  5. Ich hab nur noch Milch mit der Kanne beim Kramer geholt...

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    1. in wien gab es milchgeschäfte. nur milch und milchprodukte. offene milch wurde mit messbechern geschöpft. der geruch war unerträglich.

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  6. Nach vielen Jahren war ich zum ersten Mal wieder in Österreich. Es war nicht so schlimm wie es mir die Berichte in den sozialen Medien und Tageszeitungen suggeriert haben.
    Ich wurde weder gemessert noch habe ich mich von orientalischen Banden bedroht gefühlt.
    Die erste Woche in Wien, in der Wirtschaftskammer am Heumarkt, die inzwischen ein Hotel ist.
    Jeden Tag drei Mohnstriezerl zum Frühstück. Das, immer verfügbare, feine Gebäck wäre einer, der wenigen, Gründe wieder nach Österreich zurückzukehren.
    Ich kann mich noch erinnern als ich für eine Semmel beim "Anker" 20 Groschen bezahlt habe.
    Mir wurde, von meiner Mutter, immer wieder gesagt nicht beim "Hammer" Brot und Gebäck zu kaufen.
    Warum weiss ich bis heute nicht.

    Überall Touristen. Und ich kenne viele "nicht-touristische" Plätze.
    Wie die Ameisen ... überall, diese Touristen.
    Ich habe einige Orte meiner Kindheit besucht.
    Wasserpark, Augarten, Donauwiese/Park, Cobenzl und Kahlenberg ...
    Hat sich verändert. Nicht alles zum Guten.
    Aber das ist wohl der Lauf der Zeit.
    Stillstand ist der Tod.

    Und der Geruch der4 Stadt hat sich verändert. Nicht besser und auch nicht schlechter. Einfach anders.
    Irgendwie riecht es heute überall gleich. Sind ja auch überall, quasi, die gleichen Menschen und Geschäfte.
    Ein Trend den man, teils mit Gewalt, durchgesetzt hat.

    Trotzdem werde ich wohl wieder kommen. Wegen der Mohnstriezerl.
    Oder wegen den zwei Wochen Erholung in Eichgraben.

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