Freitag, 26. März 2010

DER PRIESTER


Vor etlichen Jahren lernte ich mal einen katholischen Priester kennen.
Es war bei einem Seminar in Bayern.
Ich werde die Stimmung nie vergessen,
wir schritten über die Hochmoorlandschaft bei Penzberg
im Hintergrund die Alpen
und er sang mir mit seiner wunderbar tiefen Stimme Gregorianische Choräle vor.
Er hatte sich mit griechisch-orthodoxer Religion beschäftigt,
eine Zeit in Griechenland gelebt,
sah wie ein Pope aus,
groß, bärtig, etwas füllig.
Für mich hatte dieser Mann in seinem Leben spirituell viel erreicht,
seine Studien, sein Wissen, sein spannendes Leben waren in meinen Augen beneidenswert.
Er war kreuzunglücklich,
hatte eine kleine Pfarrei
und fuhr einmal in der Woche nach München ins Puff.
Ich habe ihn später einmal in seinem Dorf besucht,
im Pfarrhaus geschlafen (nein, nicht mit ihm).
Er kam mit seiner Einsamkeit,
seiner Ehelosigkeit, seiner Kinderlosigkeit,
seiner ungelebten Sexualität nicht zurecht.
Wahrscheinlich ist ein Mensch nur dann zufrieden,
wenn er alle Aspekte seiner Person leben kann.
Einen wesentlichen Teil auszusparen, mit keiner Aussicht auf Erfüllung, kann sehr unglücklich machen.

11 Kommentare:

  1. Danke Ingrid, sehr gut und sensibel die Tatsachen wiedergegeben.

    AntwortenLöschen
  2. "Ungelebte Sexualität" und "Puffbesuch" passen aber nur mäßig zueinander. ;)

    Das Interessante: Die Regeln der Bibel (wider die Prostitution) bricht er, die Vorschriften seiner Kirche (Zölibat) hingegen nicht.

    Manchmal ist es einfach eine Frage unserer Prioritäten, ob wir uns glücklich machen wollen oder nicht. Er steht sich, leider, selbst im Weg, meinst Du nicht?

    AntwortenLöschen
  3. kvinna + heide:
    danke. die begebenheit ist mir aufgrund der aktuellen diskussionen wieder eingefallen. und für mich war die begegnung schön und sehr besonders.
    lg

    dersinn:
    es steht mir nicht zu, darüber zu befinden, ob puffbesuch gelebte sexualität bedeutet. wenn es die einzige möglichkeit ist, menschliche nähe zu kriegen, dann denke ich, da fehlen noch viele anderen ebenen.
    wenn ein mensch das gefühl hat, viele seiner bedürfnisse erfüllen sich in seinem leben nicht, dann kann er das wohl nicht nur mit "prioritäten setzen" wegdenken.

    AntwortenLöschen
  4. Das sind sehr schöne, verständnisvolle, wenn auch traurige, Ausführungen in dieser Zeit der Hetze und Anprangerung.

    Gesamtkirchliches Umdenken täte not.

    Liebe Grüsse,
    Brigitte

    AntwortenLöschen
  5. brigitte:
    ich denke es ist auch schwierig sich als junger mensch für einen weg zu entscheiden und dann darin gefangen zu sein.
    lg

    AntwortenLöschen
  6. Naja ... will meinen, dass er nicht der einzige Priester wäre der Familie hat.

    Vielleicht aber habe ich's falsch verstanden und er hat ja doch nach einer Partnerin gesucht - nur keine gefunden (evtl. weil seine Pfarrei ja in einer kleinen Gemeinde ist, etc.)?

    Hätte er das nicht, dann ist ihm das Zölibat wichtiger als sein eigenes Wohlbefinden (und letztlich der Auftrag seines eigenen Gottes zur Familiengründung, Anm.).

    Deshalb meinte ich, dass es eine Frage der Prioritäten wäre. Wegdenken kann er seine Probleme damit nicht. Aber ändern. Vielleicht sogar lösen.

    AntwortenLöschen
  7. Weiß nicht, ob man tatsächlich alles leben muß. Man kann seine Einstellung den Dingen gegenüber auch ändern ...

    Lieber Gruß
    Sara

    AntwortenLöschen
  8. aber dennoch schade
    was hätte er ein erfülltes leben führen können mit familie
    das besondere an der begegnung kann ich gut nachvollziehen aus deinem bericht

    AntwortenLöschen
  9. Mit neunzehn Jahren liebte ich (in Amerika) einen homosexuellen, wesentlich älteren Mann,der das Priesterseminar verlassen hatte,weil er mit der praktizierten Unaufrichtigkeit nicht zurecht kam.
    Das sexuelle coming out ,das er danach lebte, war extrem pubertär und hat ihn fast in den Knast gebracht und schließlich sein Leben beendet.Er starb knapp über 40 an AIDS.Er war zwar kein Naturmensch ,wie der von dir beschriebene Priester, aber doch ein einerseits so kluger tiefsinniger und liebevoller Freund,dass ich nie vergessen werde,was er mir geschenkt hat.
    Heut frag ich mich, ob Menschen mit einem schwierigen Karma dazu neigen, katholischer Priester zu werden oder ob es das Leben unsinnig verkompliziert sich einem derartigen Seminar oder Orden anzuschließen?
    Stela

    AntwortenLöschen
  10. interessante kommentare lese ich da. das thema ist so vielschichtig und jeder entscheidet sich für sein leben. aus welchen verborgenen motiven auch immer.

    AntwortenLöschen